Schneegestöber

The word "Snow" written in vintage wooden letterpress type.Wirbelnde Schneeflocken, die durch den Wind stöbern. Bei meinem Spaziergang im tiefen Schneegestöber spüre ich, dass zwei wie voneinander abgeschnittene Welten in meinem Herzen wohnen.

Tief aufgewühlt, aufgeregt, aufbäumend, stark, machtvoll. Schwere Flocken mit einnehmender Präsenz. Verirrte, herunterstürzende, eisige Tropfen, die sich kraftvoll im freien Fall ihren Weg bahnen. Die weisse schwere Decke der Verschwiegenheit, bedeckend, verdeckend.

Tanzend, schwebend, leicht, luftig, ruhend, entrückt, sanft und leise. Weisheit pur. Kristalle im klaren rhythmischen Fall. Bedächtig, wissend um ihr Ziel. Stille, ein umhüllender, schützender Mantel, Nuancen zeichnend, kindlich, lachend, jung und verletzlich.

Auf der einen Seite der Herzenswelt gibt es Unruhe, Verwirrtheit, Irritation, gefühlte Nässe und Kälte, Schwere und eine erdrückende Präsenz ungeordneter Themen und Gedanken. Ein Gefühls- und Buchstabensalat tastet unsicheren Schrittes umher und spürt den scharfen Luftzug des Schnees. Trotzig, stapfend, aufrechtes Halten gegen den Wind ankämpfend, nicht stehenbleibend wollend. Ein blinzelndes Vortasten durch den Schnee, ein Voranschreiten ohne klare Sicht. Meine Spuren hinter mir, blitzschnell vom Wind zerwühlt und nur für einen Schneefall-Moment sichtbar.

 

Auf der der anderen Seite der Herzenswelt gibt es ein Aufatmen, Annehmen der Ruhe und Stille, ein Innehalten, eine sich ausbreitende, gespürte Klarheit und Leichtigkeit. Ein Sortieren und Aneinanderreihen von Worten und Gedanken. Entrückt sein, bei mir sein, auftankend, Abstand nehmend. Mir selbst innere Wärme gebend. So finden plötzlich Themen neue Bahnen. Leicht und ahnungsvoll wächst die Bereitschaft, den Widerstand aufzugeben, durchzugehen, anzunehmen, um gestärkt und wissend anzukommen. Trotz Gestöber kraft- und vertrauensvoll weiterschreitend, mit einem weiten Gefühl im Herzen. Zunächst ein zaghaftes, dann endlich ein freudiges Wissen, dass der frische Schnee auf den bedeckten Spuren auch bedeutet, dass neue, andere Schritte möglich sind.

 

Nach immer wiederkehrenden Schneegestöbern in meinem Leben habe ich mehr und mehr verstanden, dass beide Herzenswelten zu mir gehören, dass beide in mir zuhause und untrennbar miteinander verbunden sind. Eine Zweiheit, die als Einheit gespürt werden kann. Jede Welt für sich ist sehr präsent und beide Seiten verschaffen sich – mal laut, mal leise – Gehör. Sie wohnen Tür an Tür. Ein gemeinsames Ein- und Ausgehen macht erst ein Annähern und ein Akzeptieren der Andersartigkeit des Anderen möglich.


Es ist die Polarität in meinem eigenen Herzen:

Licht und Schatten, Leichtigkeit und Schwere, Suchen und Finden, Freiheit und Enge, Aufbruch und Zurückhaltung, Kraft und Zaudern, Ruhe und Unruhe, Laut und Leise.


Alles darf sein und ist erst im Miteinander und im achtsamen Begleiten des Anderen möglich.

Gibt es auch in Ihnen ein wirbelndes Schneegestöber? Ich freue mich über Ihre Schneeflocken-Gedanken unter welcome@heartcraft.ch